Paul Abraham
Lebensabend in Hamburg
Euthanasie-Arzt
“’Bürger-Prinz war eine außerordentlich proble-
matische Persönlichkeit‘, sagt der Hamburger Me-
dizinhistoriker Heinz-Peter Schmiedebach. Während
der Zeit des Nationalsozialismus ohne übliches
Berufungsverfahren auf seinen Posten gesetzt, war
der renommierte Psychiater während des Krieges an
Euthanasie-Projekten insofern beteiligt, als er Pa-
tienten kategorisierte – und wissen musste, was mit
denen geschah, die er als hoffnungslose Fälle
eingestuft und verlegt hatte. Auch zeigte Bürger-Prinz
bei den von ihm begutachteten Kriegsneurotikern ge-
genüber mitunter wenig Gnade. Wenn er Symptome
wie Zittern bei einem Soldaten für simuliert hielt, te-
stierte er das – eine solche Beurteilung aber konnte
den Betreffenden vor das Kriegsgericht bringen, das
möglicherweise die Todesstrafe verhängte. Viele
Soldaten nahmen sich angesichts dessen selbst das
Leben.“
Katja Behling
Der Emigrant und sein NS-Arzt
Es ist Montag, der 30. April 1956. “Auf das Vorfeld”, so beschreibt der Journalist Hans-Jürgen
Fink die Szenerie auf dem Frankfurter Flughafen, “rollt ein dunkler geräumiger Opel bis dicht an
die Maschine aus New York, die gerade gelandet ist. Drei junge Männer steigen aus: zwei
Assistenzärzte aus dem Eppendorfer Krankenhaus und Andreas J. Meyer, seit Kurzem Verleger
des kleinen norddeutschen Merlin-Verlages. Mit der Maschine sind etwa 50 kranke Menschen
aus den USA zurückgekehrt, die vor dem Hitler-Regime geflohen waren. ... Der schwer kranke
Komponist wird die Gangway heruntergebracht. Ein paar Fotografen
machen Bilder, dann bringen ihn Ärzte ins Auto.”
Andreas J. Meyer erinnert sich an die ersten Eindrücke: “Die ganze Fahrt
zurück nach Hamburg saß er ausdruckslos im Fond.”
Zunächst kommt Abraham in die Psychiatrie des
Universitätskrankenhauses Eppendorf und wird dort – auch dies ein
Mosaikstein in Abrahams „irrsinnigen“ Leben – ausgerechnet von
Chefarzt Dr. Hans Bürger-Prinz behandelt. Der hatte - während Abraham
in der Emigration leben musste - bei den Nationalsozialisten Karriere
gemacht. Er war nach 1933 Mitglied aller relevanten NS-Organisationen
(NS-Ärztebund, NSDAP, SA u.a.) und wurde noch 1944
“Wissenschaftlicher Beirat” Karl Brandts, des NS-Bevollmächtigten für das Gesundheitswesen
und Leibarztes bei Adolf Hitler.
Die letzten Jahre in Hamburg
Paul Abraham wurde angesichts seiner manifesten Geisteskrankheit für unmündig erklärt und
erhielt mit Johannes Meyer einen vorläufigen Vormund. Meyer (Vater des Verlegers Andreas J.
Meyer) war ein von den Nationalsozialisten entlassener Spitzenjurist.
Abraham blieb 16 Monate in der Psychiatrie. Ein
damaliger Oberarzt erinnerte sich in dem Abraham-
Porträt von János Davras, Abraham sei praktisch
vollkommen “geheilt” aus New York eingetroffen.
Sowohl von der Syphilis als auch der von ihr
verursachten Psychose sei praktisch nichts mehr
vorhanden gewesen. Nach seiner Aussage war
Abraham nur noch “leicht dement”, was wohl nicht
ganz zu der Tatsache passt, dass der Patient zu dieser
Zeit und bis an sein Lebensende weiterhin glaubte, in
New York zu sein und Freunden in Briefen regelmäßig
kurz bevorstehende Premieren seiner Werke am
Broadway ankündigte.
Inzwischen war auch Abrahams Frau Charlotte aus der Volksrepublik Ungarn eingetroffen. Sie
übernahm die Vormundschaft und pflegte ihn dann ab 1957 für den Rest seines Lebens in einer
Hamburger Fünf-Zimmer-Wohnung. Vom deutschen Staat erhielt Abraham 500 Mark
„Wiedergutmachungsrente“. Auch wurden endlich seine ausstehenden Honorare und Tantiemen
ausgezahlt.
1960 musste Paul Abraham wieder in das Universitätskrankenhaus. Ein “schwarzer Krebs” hatte
ein Kniegelenk befallen und Metastasen gestreut. Es war zu spät. Paul Abraham starb am 6. Mai
1960 an den Folgen der OP. Er erhielt ein Grab auf dem Hamburger Prominentenfriedhof
Ohlsdorf.
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